Der Bus bringt uns bis Corte ins Landesinnere. Nach der Besichtigung der Altstadt beginnt die abwechslungsreiche Bahnfahrt über zahlreiche Brücken und durch imposante Schluchten nach Vizzavona. Eine gemütliche Wanderung durch den Wald führt uns zu den Cascades des Anglais. Stopp auf der Rückfahrt mit Besichtigung der von Gustave Eiffel konzipierten Brücke über dem Vecchio.
Die heimliche Hauptstadt der Korsen
Die mondäne Hafenstadt Ajaccio mag die von Napoleon ernannte offizielle Hauptstadt der „Insel der Schönheit“ sein, das kümmert die Korsen aber wenig. Sie haben ihre eigene Hauptstadt auserkoren, Corte im Landesinneren, dort, wo das korsische Herz pocht und nach Unabhängigkeit von den zahlreichen Fremdmächten im Laufe der Geschichte strebte. Unabhängigkeitskämpfe gab es unendlich viele, aber alle waren erfolglos….oder doch nicht? Wussten Sie, dass Korsika ganze 14 Jahre lang – von 1755 bis 1769 – eine unabhängige Republik war? Diese herausragende Epoche verdanken die Korsen ihrem „U babbu di a patria“, ihrem hoch verehrten Vater des Vaterlandes Pasquale Paoli. Diesem Freiheitskämpfer gelang es nicht nur, eine demokratische Verfassung mehr als 20 Jahre vor der Französischen Revolution zu erlassen, er gründete auch die erste Universität in Corte. Kein Wunder also, dass auch heute die einzigen Fakultäten der Insel in Corte angesiedelt sind und es zu einer quirligen Studentenstadt machen. Bei unserem Rundgang durch die engen Gassen bis hinauf zum Aussichtspunkt nahe der Zitadelle machen wir nicht nur eine geschichts-trächtige Reise auf den Spuren Pasquale Paolis, wir lernen dabei auch die stolze korsische Seele besser kennen.
Eine der schönsten Bahnstrecken Europas
Gemächlich tuckelt sie vor sich hin, durchquert einen Tunnel nach dem anderen, dann geht es weiter über die von Gustave Eiffel konzipierte Brücke in schwindelerregender Höhe – und rundum die großartige korsische Bergwelt mit ihren schneebedeckten Gipfeln. Postkartenmotive überall. Wir sitzen in der Schmalspurbahn auf dem allerschönsten Streckenabschnitt zwischen Corte und Vizzavona und genießen Kleinbahnromantik pur! Welch technische Herausforderung für die Erbauer Ende des 19. Jh bis zur Fertigstellung dieser Verbindung zwischen den beiden wichtigsten Städten Ajaccio und Bastia, bei der es 900 Höhenmeter zu überwinden galt! Dank der touristischen Entwicklung wurde diese Bahnstrecke nicht eingestellt, sondern aufwendig renoviert und der „Feurige Elias“, wie man die Züge aufgrund ihrer rot-gelben Farbe liebevoll nannte, durch modernere Garnituren ersetzt. Eine Stunde lang geht es aufwärts, bis wir in dem ehemaligen Luftkurort der englischen Noblesse, Vizzavona, ankommen. Heutzutage ist dieser Ort ein sehr beliebter Einstiegspunkt in den legendären GR 20. Dieser Weitwanderweg der Königsklasse für erfahrene Bergsteiger hat hier im geografischen Zentrum der Insel seinen Scheitelpunkt und unterteilt sich in „GR 20 Norden“ und „GR 20 Süden“. Auch wir wollen GR 20-Atmosphäre schnuppern, wenn auch in bescheidenerem Maße. So starten wir vom Bahnhof Vizzavona zu einer gemütlichen einstündigen Wanderung durch einen der schönsten Buchenwälder Korsikas, auch Wald der Banditen genannt, denn hier versteckten sich bis ins 19. Jh zahlreiche Korsen vor der Vendetta. Banditen treffen wir keine mehr an, sehr wohl stoßen wir aber auf Spuren von Wildschweinen und bewundern am Wegesrand einige endemische Pflanzen, wie die korsische Nieswurz oder die Laricio-Kiefer mit ihren mächtigen Baumkronen. Kurzweilig geht es über Stock und Stein entlang eines Bächleins bis zu unserem Ziel: den Gumpen am Fuße des Wasserfalls Cascade des Anglais. Das Entspannen an diesen natürlichen Wasserbecken, in denen man im Sommer herrlich baden kann, ist eine willkommene Belohnung nach dem Kraftaufwand. Und zum Abschluss wartet eine kühle Erfrischung anderer Art: ein köstliches Kastanienbier…. „salute“ auf Korsika und diesen erlebnisreichen Tagesausflug!
Christel Sarry